Die Harmonie zwischen Einheit und Vielfalt, zwischen Monotonie und Vielschichtigkeit führt zu einem Rhythmus, der den eigentlichen künstlerischen Wert ausmacht.
Was heißt nun Vielfalt? Auf keinen Fall ein wüstes Durcheinander von Farben und Formen. Grundlage der Gestaltung ist einerseits die Vielfalt der Farben, natürlich auch die Tonwerte. Damit bezeichnet man das Gewicht der Farben und den Kontrast von Licht und Schatten.
Vielfalt allein kann schnell im Chaos enden. Deshalb muß die Vielfalt System und Ordnung besitzen. Es sind die Prinzipien der Einheit zu beachten.
Einheit wird dadurch erreicht, daß das Zusammenspiel der Umrisse, das Abheben vom Hintergrund, Bilden und Überlagern mehrerer Formen, d.h. das Hintereinanderstellen von Gruppen, eine Serie von aufeinanderfolgenden Ebenen schafft.
Vielfalt in der Einheit erhält man auch durch die Schaffung von Entsprechungen. Das Gesetz der Wiederholung von Farben, Tönen, Formen, Linien und des Pinselstrichs, trägt wesentlich zur Einheit bei.
Die Formen und Flächen sind in ihren Beziehungen zueinander zu setzen, Symmetrie zu beachten, die Regeln des Gleichgewichts und der Ausgleich der Massen zu berücksichtigen. Traditionelle Kompositionsschemen sind einzuhalten.
Die Proportionen der Flächen zueinander sind nach dem goldenen Schnitt zu berechnen, d.h. dass die kleine Fläche sich zur großen Fläche verhalten muß wie die große Fläche zur Gesamtfläche.
Ich habe mich in erster Linie für das Aquarell entschieden, weil meine Motive, Licht, Nebel, Wasser, Schnee, Regen, Bäche, Seen und das Meer, kaum besser als im Aquarell auszudrücken sind.
Da das Aquarell auch gern als Vorstudie für ein Ölbild genommen wurde, hat es unter Laien leider einen geringeren Stellenwert. Künstler haben hierzu eine ganz andere Meinung. Aquarell ist die leichteste Möglichkeit ein Bild zu malen, aber auch die Schwerste.
Laut Knaurs Mallexikon ist das Aquarell der Anfang und die Krone aller Maltechnik. Warum?
Leicht, weil nur Pinsel, Wasser und etwas Farbe benötigt werden, um schnell eine Studie zu malen. Schwer, weil ein Bild auf Anhieb „stehen“ muss.
Die Eigenschaften, denen das Aquarell heute seine große Beliebtheit verdankt, sind seine Leichtigkeit, Leuchtkraft und Transparenz. Sie sind zugleich der Grund für seine Schwierigkeit. Von Anfang an bleibt der Arbeitsprozeß sichtbar. Jeder einzelne Pinselzug fordert eine Entscheidung, die kaum mehr zu korrigieren ist. Wie keine andere Technik verlangt das Aquarell höchste Konzentration und Beherrschung der Mittel. Das Wasser, das Papier und die Farbmenge sind recht eigenwillig. Man muß die Zutaten schon im rechten Verhältnis einsetzen und sie zu bändigen wissen.
Das Aquarell ist ein Abenteuer. Wenn man seine Technik erlernen will, sollte man nicht schnell ein gutes Bild herstellen wollen, sondern erst einmal experimentieren.
DAS PAPIER
Um zu arbeiten braucht der Künstler möglichst sehr gutes Material. Als Malgrund für die Aquarellmalerei sind entweder handgeschöpfte oder Bütten-Papiere geeignet. Aquarellpapier wird aus Hadern, Wasser und Leim hergestellt. Früher verwendete man aufbereitete Lumpen, heute Baumwollfaserstoff (Linters) oder Zellstoff, ein Faserstoff, der aus gekochtem Holz gewonnen wird.
Die Neutralleimung muss Säurefreiheit garantieren, damit das Papier eine hohe Lebensdauer von 1000 Jahren und mehr hat.
DIE PINSEL
Die Malpinsel werden von Hand gefertigt und bestehen aus Natur- bzw. aus Synthetikhaaren. Nylonhaare sind nicht so fein und finden in erster Linie Verwendung bei der Öl- und Acrylmalerei. Echthaarpinsel halten das Wasser besser und geben es sehr langsam ab, ein Faktor der für die Aquarellmalerei sehr wichtig ist.
Die Qualität von Kolinsky-Rotmarderpinseln, mit Haaren aus den Schweifen der Marder aus den kältesten Gegenden Sibiriens, finde ich am besten. Längere Haare sind zwar teuerer als kurze, aber je länger das Haar, umso besser der Pinsel.
DIE FARBEN
Grundsätzlich ähneln sich alle Farben in ihrer Zusammensetzung. Sie bestehen im Wesentlichen aus immer gleichen Pigmenten und einem Bindemittel, das die Farbteilchen auf der Malfläche festhält. Die Bindemittel sind bei Aquarellfarben besondere wasserlösliche Gummiarten. Bei Ölfarben sind es Öle, die beim Trocknen fest werden und so die Bindung übernehmen.
Der Gummi bleibt bei Aquarellfarben wasserlöslich, d.h. auch noch auf dem bemalten Papier, so dass sich die Farben dadurch vermischen können. Nur wenn die Malerin mit dem Pinsel schneller ist, als sich das Bindemittel lösen kann, liegen die Farben übereinander und dann entsteht das eigentlich Charakteristische in der Aquarellmalerei, die Lasur.
Die meisten Wasserfarben sind Deckfarben, denen weiße Füllstoffe zugesetzt wurden. Aquarellfarben sind transparent. Die Pigmente für hochwertige Aquarellfarben (Künstlerfarben) sind meist sehr viel feiner zerrieben als preisgünstige Studien-Aquarellfarben, um dünnste und durchsichtige Farbschichten zu ermöglichen. Die Lichtechtheit der Farben ist unterschiedlich, aber ein paar hundert Jahre halten sie schon alle.
DIE TECHNIK
Für das moderne Aquarell gibt es inzwischen neben der klassischen Malweise auch viele neue Techniken.
Klassisch heißt: Mehrere Lasuren transparenter Farbe werden auf weißem Papier angelegt, und für die Glanzlichter werden die weißen Stellen des Papiers ausgespart.
Heute werden Aquarellfarben auch mit anderen nicht-transparenten Wasserfarben, wie z.B. Acryl oder Gouache, gemeinsam in einem Werk verarbeitet. Deckweiß Tusche, Marker, Bleistift, Pastellstift usw. werden als besondere Ausdrucksmittel eingesetzt.
Sanfte Farbübergänge sind bei Aquarellfarben etwas schwieriger, als bei Öl- oder Pastellfarben, da sie schneller trocknen. Allerdings wird bei Einsatz der Technik Nass in Nass die gesamte Papierfläche feucht gehalten, so dass die Farben ineinander verlaufen können. Dabei ist natürlich darauf zu achten, daß die Farben sich dabei nicht vermischen, denn wenn das Blau des Himmels mit dem Gelb des Sonnenlichtes ineinander übergehen soll, wird bei einem zu feuchten Papier schnell ein grüner Himmel daraus.
Lasuren werden angelegt, um auf nassem Papier einen weichen Hintergrund zu schaffen oder um eine Untermalung anzulegen. Aber auch mit einer nassen Lasur, die über einer trockenen angelegt wird, sind zusätzliche Reize zu schaffen.
Jedes Bild ist eine Anhäufung von Tricks. Die Welt ist dreidimensional, aber der Maler hat nur die flache Papieroberfläche zur Verfügung. Eines der schönsten Merkmale eines Landschaftsbildes ist das Gefühl von Weite. Hier ist nicht nur Linearperspektive sondern auch Luftperspektive gefragt.
Licht ist der wichtigste Faktor in allen Bildern. Ein Abendlicht wirft andere Schatten als ein Morgenlicht, sogar die Formen der Wolken am Mittagshimmel sehen anders aus, als ein farbiger Abendhimmel. Nebliges diffuses Licht ermöglicht die Formen von Gebäuden und Bäumen zu vereinfachen. Helles Sonnenlicht, auch Sonnenuntergänge, lassen Details hervortreten.
DAS MOTIV
Die Vorlage, d.h. die Natur oder das Foto dienen als Grundlage für die Umsetzung der eigenen Vorstellung für das Motiv. Das Foto dient dazu das Sujet in Erinnerung zu rufen und die Linien für die perspektivische Darstellung vorzugeben. Fotos sollten möglichst selbst geschossen werden. Hier ist die Möglichkeit gegeben, das Motiv aus den verschiedensten Blickwinkeln einzufangen und zu Hause in Ruhe daraus den Bildaufbau zu komponieren.
Ein Foto von einem reißenden Fluß kann selten die Spannung der Situation und die Bewegung des Wassers einfangen, weil die Kamera durch das Festhalten der Details die Bewegung einfriert. Beim Bild kann die Malerin das Motiv vereinfachen, Details weglassen und mit Einsatz von Technik Glanzlichter setzen, Kontraste bilden, Schatten verstärken usw. und somit Lebendigkeit ins Bild bringen.
Genauso ist es mit Lichteffekten, die durch einen wechselhaften Himmel erzeugt werden. Scheinbar spontane Effekte sind in Wirklichkeit das Ergebnis sorgfältiger Planung und können niemals vor Ort gemalt werden, da ein plötzlicher Sonnenstrahl wieder verschwindet, bevor man überhaupt seine Malsachen aus dem Rucksack herausgeholt hat.
Blumen und Pflanzen sind besonders schöne Sujets. Sie drücken Freude und Optimismus aus. Im Bild können ihre Zartheit und Schönheit, aber auch die Vergänglichkeit in jedem Stadium festgehalten werden.
Gebäude erfordern die Beherrschung der Perspektive und das Malen gerader Linien. Architektonische Details können sich auf einige Besonderheiten im Vordergrund beschränken, die das Mauerwerk, Dächer, Fenster oder Türen beschreiben. Nur das reicht nicht. Das Bild sollte auch das Wesen des Gebäudes lebendig machen, also Schutz und Wärme, die Dauerhaftigkeit oder den Verfall, vergangene Schönheit usw. darstellen.
Fast alle Künstler haben Stilleben gemalt. Hier kann der Künstler selbst entscheiden, welche Objekte er malen möchte, wie er sie arrangiert und die Farbskala und Beleuchtung bestimmt.
Portraits im Aquarell sind schwierig. Um einen Ausdruck spontan festzuhalten und sensible Bilder zu schaffen, ist schon eine gute Grundlage notwendig. Die Malerin muss die Strukturen im Gesicht verstehen, um es überzeugend wiedergeben zu können.
In China sagt man, du musst erst ein Bambus werden, bevor du einen Bambus malen kannst.
In diesem Satz ist viel Wahrheit. Nur etwas, das man mit seinem eigenen Verständnis verinnerlicht hat, kann man auch zum Ausdruck bringen. Sonst ist es die Wiedergabe eines Dinges ohne Seele.
Letzte Aktualisierung: 01.04.2017